"Restaurierung heißt, nicht wieder neu machen"

Ein Blogbeitrag von Emma Scheuermann

 

Die Allgemeinheit scheint sich unsicher zu sein, was genau unter der Restaurierung eines Objektes zu verstehen ist. Meiner Erfahrung nach gebraucht die Mehrheit den Begriff Restaurierung synonym mit „Sanierung“, „Neubau“, oder schlicht „Wieder neu machen“. 

 

Bevor ich mich im Rahmen meines Vorpraktikums selbst mehr mit dem Thema befasst habe, muss ich ehrlicherweise zugeben, dies auch so gesehen zu haben. Und auch zum jetzigen Zeitpunkt weiß ich immer noch nicht ganz genau, wie der Begriff einzuordnen ist - eine vollkommen einheitliche Definition scheint es selbst unter berufstätigen Restauratoren nicht zu geben.

Ein bisschen differenzierter ist mein Verständnis natürlich schon geworden: Restaurierung tatsächlich mit Sanierung gleichzusetzen, ist schlichtweg falsch. Ausgegangen wird zwar grundsätzlich erst einmal von einer konservatorischen Substanzerhaltung, aber eine pauschale Antwort auf die Frage, wie viel (und wenn ja, in welcher Weise) danach an einem historischen Objekt erneuert werden sollte, gibt es nicht.

 

Im ersten Moment mag das vielleicht etwas frustrierend erscheinen: Diese nicht vorhandene Routine bedeutet, dass selbst wenn ein Objekt erfolgreich fertiggestellt wurde, die Wahrscheinlichkeit, dass auch das darauffolgende mit dem gleichen Konzept behandelt werden kann, eher niedrig ist. Der Restaurator muss bereit sein, immer wieder bei Null anzufangen. Dies verspricht auf der anderen Seite aber auch ein unglaublich spannendes und abwechslungsreiches Berufsleben. Und außerdem: Wenn auch die spezifischen Umstände und Maßnahmen einer Restaurierung immer individuell sind, so sind die Vorgehensweisen und Techniken/Methoden doch lernbar.

 

Bevor man anfängt, an einem Objekt zu arbeiten, sollte man sich zunächst ein Konzept überlegen. Dazu gehört, das Objekt genau zu untersuchen, seinen Zustand, seine Schäden sowohl in Fotografien als auch in Worten festzuhalten und versuchen, seine Geschichte nachzuvollziehen. Wie ist es konstruiert, aus welchen Materialien besteht es? Unter welchen Einflüssen könnten die Schäden entstanden sein? Wo kommt es her? Gab es schon vorherige Restaurierungsmaßnahmen und welche? Mit den gesammelten Ergebnissen kann dann eine Zielstellung entwickelt werden, auf deren Erfüllung dann praktisch hingearbeitet wird. (Von dem, was ich bisher gehört habe, kommen natürlich im Laufe der praktischen Bearbeitung trotzdem immer noch neue, bisher unbekannte Probleme auf - Spontanität und Flexibilität gehören also auch zu den Eigenschaften eines Restaurators). Die Dokumentation wird selbstverständlich auch im Verlauf der praktischen Phase weitergeführt.

 

Der schlussendliche Zielzustand der Restaurierung eines Objektes kann (sozusagen auf einer Skala) von einer reinen Konservierung bis hin zu einer Rekonstruktion gehen. Diese Entscheidung liegt meistens bei den zuständigen Denkmalämtern, Kustodien und Kunsthistoriker.

Wenn der Restaurator allerdings aus fachlichen Gründen anderer Meinung ist, sehe ich persönlich es aber auch als seine Pflicht an, zu versuchen, diese Entscheidungen oder Vorgaben zugunsten des Objektes in die richtige Richtung zu lenken.

Prinzipiell sollte versucht werden, so wenig wie möglich bzw. nur das, was wirklich nötig ist, zu verändern. Wie es auch in Art. 9 der Charta von Venedig aus dem Jahr 1964 bereits festgehalten ist, sollte eine Restaurierung Ausnahmecharakter behalten (Die Charta von Venedig gilt als zentrale und international anerkannte Richtlinie in der Denkmalpflege des 20. Jahrhunderts. Sie legt zentrale Werte und Vorgehensweisen bei der Konservierung und Restaurierung von Denkmalen fest).

 

Es wird deutlich, dass die Arbeit an einem Objekt immer höchst individuell angegangen werden muss: So unterschiedlich die Zustände und Geschichten von verschiedenen Objekten sind, so unterschiedlich müssen ihre Restaurierungen verlaufen.

 

Ein (fiktives) einfaches Beispiel: eine ca. 70 cm große Steinskulptur, die seit mehreren Jahrzehnten ohne Überdachung in einem Schlossgarten im Osten Deutschlands stand und somit der Witterung ausgesetzt war.

Nach einer eingehenden Recherche, Untersuchung und Dokumentation wird herausgefunden, dass aufgrund der Niederschläge Wasser in den Stein eingedrungen ist. In diesem Regen befanden sich Salze, die damit in die Skulptur gelangten. Im Laufe der Jahre und dem zyklischen Wechsel der Witterung in den Jahreszeiten änderte sich der Feuchtigkeitshaushalt des Objektes, und die Salze blühten in trockeneren Perioden aus, was neben dem Auftreten von Salzrasen/-schleiern zu einer Gefügeschwächung führte.

Besonders in Bodennähe liegt außerdem eine biologische Besiedlung mit Moos vor.

 

Persönlich würde ich weder nur eine reine Konservierung noch eine komplette Rekonstruktion vorschlagen. Laut Artikel 3 der Charta soll das Ziel von Konservierung und Restaurierung sowohl die Erhaltung des Kunstwerks“ als auch die Bewahrung des geschichtlichen Zeugnisses“ sein. Zu der Geschichte eines historischen Objektes, die somit erhalten werden soll, gehört meiner Ansicht nach nicht nur sein Originalzustand, sondern eben auch alle seine Schäden, die es im Laufe seiner Existenz erhalten hat. Die abgesprengten Teile der Statue dürften also nicht einfach rekonstruiert und dann nahtlos zum Original übergehen, sondern müssten sich abheben, „damit die Restaurierung den Wert des Denkmals als Kunst und Geschichtsdokument nicht verfälscht“ (s. Charta von Venedig, Art. 12).

 

Dies könnte im Fall der Steinskulptur zum Beispiel dadurch geschehen, dass man die Kanten, an denen die ergänzten Teile angesetzt wurden, sichtbar lässt.

Natürlich kann das Material mit dieser Begründung nicht einfach in seinem Vorzustand gelassen werden: Das Moos sollte abgenommen und der Stein darunter gesäubert werden.

Außerdem sollte natürlich versucht werden, die Salze aus dem Stein zu entfernen, beispielsweise durch eine Entsalzung im Wasserbad oder mithilfe von Kompressen.

 

Ein Restaurator muss also das prekäre Gleichgewicht zwischen diesen beiden Seiten finden, um ein Objekt bestmöglich zu behandeln. Alleiniges wieder Neumachen, womöglich damit das Objekt wieder „hübsch aussieht“ und beispielsweise zu Wertzuwachs für den Auftraggeber führt, darf nicht das Ziel sein, denn es geht bei einem historischen Objekt um mehr als seinen rein monetären Wert.

 

Jedes hat seine spezifische individuelle Geschichte, die man verfolgen kann und ist gleichzeitig Teil von etwas viel Größerem, da es logischerweise auch immer ein Produkt seiner Zeit ist. Es ist unser kulturelles Erbe und egal wie trivial das Objekt auch sein mag, gibt es uns Auskunft über einen Teil unserer Vergangenheit und unserer Herkunft, und sollte deswegen immer mit gewissem Respekt behandelt werden.

Das Privileg, ein Stück lebendig gewordene Geschichte in den Händen zu halten und so zu bearbeiten, dass es uns auch in Zukunft seine Geschichte erzählen kann, das ist, was die Arbeit eines Restaurators für mich bedeutet und wertvoll macht.

  

 

 

Ein Blogbeitrag von Emma Scheuermann

 

Die Allgemeinheit scheint sich unsicher zu sein, was genau unter der Restaurierung eines Objektes zu verstehen ist. Meiner Erfahrung nach gebraucht die Mehrheit den Begriff Restaurierung synonym mit „Sanierung“, „Neubau“, oder schlicht „Wieder neu machen“. 

 

Bevor ich mich im Rahmen meines Vorpraktikums selbst mehr mit dem Thema befasst habe, muss ich ehrlicherweise zugeben, dies auch so gesehen zu haben. Und auch zum jetzigen Zeitpunkt weiß ich immer noch nicht ganz genau, wie der Begriff einzuordnen ist - eine vollkommen einheitliche Definition scheint es selbst unter berufstätigen Restauratoren nicht zu geben.

Ein bisschen differenzierter ist mein Verständnis natürlich schon geworden: Restaurierung tatsächlich mit Sanierung gleichzusetzen, ist schlichtweg falsch. Ausgegangen wird zwar grundsätzlich erst einmal von einer konservatorischen Substanzerhaltung, aber eine pauschale Antwort auf die Frage, wie viel (und wenn ja, in welcher Weise) danach an einem historischen Objekt erneuert werden sollte, gibt es nicht.

 

Im ersten Moment mag das vielleicht etwas frustrierend erscheinen: Diese nicht vorhandene Routine bedeutet, dass selbst wenn ein Objekt erfolgreich fertiggestellt wurde, die Wahrscheinlichkeit, dass auch das darauffolgende mit dem gleichen Konzept behandelt werden kann, eher niedrig ist. Der Restaurator muss bereit sein, immer wieder bei Null anzufangen. Dies verspricht auf der anderen Seite aber auch ein unglaublich spannendes und abwechslungsreiches Berufsleben. Und außerdem: Wenn auch die spezifischen Umstände und Maßnahmen einer Restaurierung immer individuell sind, so sind die Vorgehensweisen und Techniken/Methoden doch lernbar.

 

Bevor man anfängt, an einem Objekt zu arbeiten, sollte man sich zunächst ein Konzept überlegen. Dazu gehört, das Objekt genau zu untersuchen, seinen Zustand, seine Schäden sowohl in Fotografien als auch in Worten festzuhalten und versuchen, seine Geschichte nachzuvollziehen. Wie ist es konstruiert, aus welchen Materialien besteht es? Unter welchen Einflüssen könnten die Schäden entstanden sein? Wo kommt es her? Gab es schon vorherige Restaurierungsmaßnahmen und welche? Mit den gesammelten Ergebnissen kann dann eine Zielstellung entwickelt werden, auf deren Erfüllung dann praktisch hingearbeitet wird. (Von dem, was ich bisher gehört habe, kommen natürlich im Laufe der praktischen Bearbeitung trotzdem immer noch neue, bisher unbekannte Probleme auf - Spontanität und Flexibilität gehören also auch zu den Eigenschaften eines Restaurators). Die Dokumentation wird selbstverständlich auch im Verlauf der praktischen Phase weitergeführt.

 

Der schlussendliche Zielzustand der Restaurierung eines Objektes kann (sozusagen auf einer Skala) von einer reinen Konservierung bis hin zu einer Rekonstruktion gehen. Diese Entscheidung liegt meistens bei den zuständigen Denkmalämtern, Kustodien und Kunsthistoriker.

Wenn der Restaurator allerdings aus fachlichen Gründen anderer Meinung ist, sehe ich persönlich es aber auch als seine Pflicht an, zu versuchen, diese Entscheidungen oder Vorgaben zugunsten des Objektes in die richtige Richtung zu lenken.

Prinzipiell sollte versucht werden, so wenig wie möglich bzw. nur das, was wirklich nötig ist, zu verändern. Wie es auch in Art. 9 der Charta von Venedig aus dem Jahr 1964 bereits festgehalten ist, sollte eine Restaurierung Ausnahmecharakter behalten (Die Charta von Venedig gilt als zentrale und international anerkannte Richtlinie in der Denkmalpflege des 20. Jahrhunderts. Sie legt zentrale Werte und Vorgehensweisen bei der Konservierung und Restaurierung von Denkmalen fest).

 

Es wird deutlich, dass die Arbeit an einem Objekt immer höchst individuell angegangen werden muss: So unterschiedlich die Zustände und Geschichten von verschiedenen Objekten sind, so unterschiedlich müssen ihre Restaurierungen verlaufen.

 

Ein (fiktives) einfaches Beispiel: eine ca. 70 cm große Steinskulptur, die seit mehreren Jahrzehnten ohne Überdachung in einem Schlossgarten im Osten Deutschlands stand und somit der Witterung ausgesetzt war.

Nach einer eingehenden Recherche, Untersuchung und Dokumentation wird herausgefunden, dass aufgrund der Niederschläge Wasser in den Stein eingedrungen ist. In diesem Regen befanden sich Salze, die damit in die Skulptur gelangten. Im Laufe der Jahre und dem zyklischen Wechsel der Witterung in den Jahreszeiten änderte sich der Feuchtigkeitshaushalt des Objektes, und die Salze blühten in trockeneren Perioden aus, was neben dem Auftreten von Salzrasen/-schleiern zu einer Gefügeschwächung führte.

Besonders in Bodennähe liegt außerdem eine biologische Besiedlung mit Moos vor.

 

Persönlich würde ich weder nur eine reine Konservierung noch eine komplette Rekonstruktion vorschlagen. Laut Artikel 3 der Charta soll das Ziel von Konservierung und Restaurierung sowohl die Erhaltung des Kunstwerks“ als auch die Bewahrung des geschichtlichen Zeugnisses“ sein. Zu der Geschichte eines historischen Objektes, die somit erhalten werden soll, gehört meiner Ansicht nach nicht nur sein Originalzustand, sondern eben auch alle seine Schäden, die es im Laufe seiner Existenz erhalten hat. Die abgesprengten Teile der Statue dürften also nicht einfach rekonstruiert und dann nahtlos zum Original übergehen, sondern müssten sich abheben, „damit die Restaurierung den Wert des Denkmals als Kunst und Geschichtsdokument nicht verfälscht“ (s. Charta von Venedig, Art. 12).

 

Dies könnte im Fall der Steinskulptur zum Beispiel dadurch geschehen, dass man die Kanten, an denen die ergänzten Teile angesetzt wurden, sichtbar lässt.

Natürlich kann das Material mit dieser Begründung nicht einfach in seinem Vorzustand gelassen werden: Das Moos sollte abgenommen und der Stein darunter gesäubert werden.

Außerdem sollte natürlich versucht werden, die Salze aus dem Stein zu entfernen, beispielsweise durch eine Entsalzung im Wasserbad oder mithilfe von Kompressen.

 

Ein Restaurator muss also das prekäre Gleichgewicht zwischen diesen beiden Seiten finden, um ein Objekt bestmöglich zu behandeln. Alleiniges wieder Neumachen, womöglich damit das Objekt wieder „hübsch aussieht“ und beispielsweise zu Wertzuwachs für den Auftraggeber führt, darf nicht das Ziel sein, denn es geht bei einem historischen Objekt um mehr als seinen rein monetären Wert.

 

Jedes hat seine spezifische individuelle Geschichte, die man verfolgen kann und ist gleichzeitig Teil von etwas viel Größerem, da es logischerweise auch immer ein Produkt seiner Zeit ist. Es ist unser kulturelles Erbe und egal wie trivial das Objekt auch sein mag, gibt es uns Auskunft über einen Teil unserer Vergangenheit und unserer Herkunft, und sollte deswegen immer mit gewissem Respekt behandelt werden.

Das Privileg, ein Stück lebendig gewordene Geschichte in den Händen zu halten und so zu bearbeiten, dass es uns auch in Zukunft seine Geschichte erzählen kann, das ist, was die Arbeit eines Restaurators für mich bedeutet und wertvoll macht.